Sexy war gestern

Erst vor Kurzem ist es mir aufgefallen. Nun ist es also passiert. Das Alter hat Einzug ins Schlafzimmer gehalten. Chanel wurde abgelöst von Flanell, die sexy Satin-Bettwäsche kaschiert das orthopädische Kopfkissen nur unzureichend und statt Serge Gainsbourg flüstert zärtlich der Luftbefeuchter.

Es war ein schleichender Prozess, leise und so vorsichtig dosiert, dass er vollkommen unbemerkt vonstattengehen konnte. Ich hatte nicht die geringste Chance auf Gegenwehr. Aber jetzt, da alles aufgeflogen ist, wäre es doch ein Leichtes, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Fünf Jahre muss ich nämlich noch durchhalten, dann bin ich 50 – mein selbst gesetzter Schwellenwert für „Convenience First“. Aber was soll ich sagen? Ich habe Blut geleckt, der Point of no Return ist bereits überschritten.

Mein Mann raunzt. Ein Kompromiss muss her!

Ich google „Flanell-Negligé“. Die Suchergebnisse animieren NICHT zum Kauf, so viel Selbstachtung habe ich noch. Und vor allem: so viel Interesse an einem Liebesleben.

Ich frage ChatGPT: Kann man einen Mann im Schlaf hypnotisieren und auf „Pyjama = sexy“ prägen? Spoiler: Ja, geht, ist aber aufwendig und so viel Zeit habe ich nachts nicht.

Ich schmiede einen perfiden Plan:

Mein Mann muss ebenfalls zum überzeugten Flanell-Träger werden! Was soll er dann noch raunzen? Gleich mehrere Herren-Pyjamas halten also Einzug in den Kleiderschrank.

Womit ich aber nicht gerechnet hatte, war die gnadenlose Konsequenz dieses Mannes. Erstmal auf den Geschmack gekommen, ist er mit den bequemen Flanellteilen förmlich verschmolzen. Auch tagsüber!

Herr Flanell in Gala-Uniform
Herr Flanell in Gala-Uniform

Gut gekleidet sehen ihn nur noch seine Kollegen im Büro. Mir selbst bleiben drei Varianten Mann zur Auswahl:

  1. Landlord: gedeckte Erdtöne von Kopf bis Fuß
  2. Sträfling auf Freigang: schwarz-weiß gestreift
  3. Griechischer Schafhirte: blau, weiß, verbeult

Dazu als Universalschuhwerk: gestrickte Socken mit Anti-Rutsch-Noppen. (K)eine Augenweide!

Frei nach Goethe: Die Geister, die ich rief, werd´ ich nun nicht mehr los.

So habe ich mir das nicht vorgestellt! Das Argument, er sei noch zu jung für den Pflegeheim-Style, zieht nicht. Mein Mann ist Ü50. Sie wissen schon, der Schwellenwert für hemmungslose Bequemlichkeit …