Einschlafen mit Coco Flanell

Wie es sich für eine anständige Mittvierzigerin mit Stresshintergrund gehört, habe ich Schlafstörungen. Da ich neben meiner Monk-Neurose und anderen Auffälligkeiten, mit denen ich Sie nicht behelligen möchte, nun wirklich keine weitere Störung gebrauchen kann, nenne ich meine Schlafstörung liebevoll Dunkelheitsfehlfunktion. Problem gelöst.

Manche meiner Leser kennen das bestimmt aus eigener leidvoller Erfahrung, so eine Dunkelheitsfehlfunktion ist nur der halbe Spaß, solange man seinen bevorzugten Zeitvertreib nicht gefunden hat.

Coco Flanell hat Schlafstörungen

Ich habe diesbezüglich wirklich viel getestet:

1. Schäfchen zählen

Der Klassiker. Was seit Adam Riese bereits in Millionen Schlafzimmern für Abhilfe bei Einschlafproblemen gesorgt hat, muss auch in meinem Bett funktionieren. So dachte ich zumindest. Bei ungefähr 28.000 Schäfchen hat jedes Mal zuverlässig der Wecker geläutet. In sehr guten Nächten habe ich es sogar bis 30.000 geschafft. Ich bin offensichtlich der Donald Trump unter den Schafhirten, das hilft mir aber auch nicht weiter.

2. Fernsehen

Wer sind die tausenden Geschichtsfanatiker, für die die Programmverantwortlichen deutschsprachiger Sendeanstalten Nacht für Nacht Weltkriegs-Dokus in Dauerschleife zeigen? Und erhoffen sie sich irgendwann einmal ein überraschendes Ende? Mit den Ereignissen von Sarajevo bis Nagasaki bin ich inzwischen beinahe so vertraut wie mit Frodos cineastischer Wanderung zum Schicksalsberg. Und das will etwas heißen, die steht immerhin seit fast 25 Jahren an jedem einzelnen Feiertag auf dem Programm. Ohne Ausnahme. Nächtliches Bildungsfernsehen schied also auch bald aus.

3. Lesen

Alles habe ich versucht. Romane, Essays, Fachbücher, Fantasy, Comics. Sogar mit romantischer Frauenliteratur habe ich es probiert. Nicht einmal davon wurde ich müde, mir wurde bloß schlecht.

4. Aufräumen und Putzen

Keine Chance! Als Ordnungs- und Sauberkeitsfan finde ich im Mondschein nichts, was ich nicht schon bei Sonnenschein erledigt hätte.

5. Sport

War nur ein Witz! Ich und Sport? Und dann auch noch nachts? Die einzige infrage kommende Leibesübung fällt flach, Herr Flanell hat keine Schlafstörungen. Im Gegenteil, er schläft tief und fest. Und laut.

6. Einschlaf-Podcasts

Endlich! Meine Erlösung! Die Podcast-Szene hat Mitleid mit uns Dunkelheitsfehlfunktionierenden und launcht einen Einschlaf-Podcast nach dem anderen. Einfach nur daliegen, irgendetwas elendig Langweiliges anhören und drei, zwei, eins … ich bin putzmunter! Wie ich bereits an anderer Stelle erwähnt habe, gehöre ich zur Spezies der Scanner. Wir interessieren uns für fast alles.

Einschlafen mit Geografie? Keine Chance, interessiert mich. Ebenso verhält es sich mit Biografien, Philosophie, Weltall und Geschichte. Auch Harry Potter in Hogwarts interessiert mich. Also eigentlich nicht, aber wenn er mich zum Einschlafen bringen soll, dann schon. Aus Verzweiflung habe ich es sogar mit der Relativitätstheorie versucht. Ich habe kein Wort verstanden, aber die charmante Stimme des Sprechers hielt mich wach.

Das Leiden hat ein Ende

Vor Kurzem habe ich ihn doch noch gefunden, meinen Heiligen Gral unter den Einschlaf-Podcasts. Und dabei will ausgerechnet dieser Podcast gar kein Einschlaf-Podcast sein, sondern mich intellektuell stimulieren:

LANZ & PRECHT
Zwei selbstverliebte Gockel oder der Kampf um den Thron des klügsten Mannes

(Beim Untertitel bin ich mir nicht ganz sicher.)

Während Ausnahmemoderator Markus Lanz „da neulich etwas gelesen hat“, hat der Universalgelehrte Richard David Precht „schon vor Jahren gesagt“, was der Rest der Welt erst jetzt allmählich zu ahnen beginnt. Die beiden wissen Bescheid. Über alles.

Gruß und Kuss in die Kemenate! Sie haben mir meinen Schlaf zurückgebracht, meine Herren. Dafür bin ich Ihnen unendlich dankbar, Sie haben etwas gut bei mir!

Angenehme Nachtruhe wünscht
Ihre Coco Flanell

Sie kennen Markus Lanz und Richard David Precht nicht? Lassen Sie mich Ihnen beim Schließen dieser unfassbaren Bildungslücke helfen:

(c) ProSieben | Fake News – Alles erstunken und erlogen | 18.03.2025