Phlipper, der Delphin

Pünktlich zum Schulbeginn leiste ich heute einen Beitrag zur Bildung meiner Leserinnen und Leser. Ich lege nämlich sehr viel Wert auf ein niveauvolles Publikum.

Haben Sie schon von den neuen Rechtschreibregeln gehört, die diese Woche in Kraft getreten sind?

Hier, bitte: Rechtschreibung 2025.

Als jemand, der für Publikum schreibt, versuche ich natürlich, mich möglichst mit Schwänken aus meinem Leben und weniger mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern zu blamieren. Ich bin überzeugt, das gelingt mir nicht immer. Zum Glück ist es meiner Leserschaft wahrscheinlich vollkommen wurscht.

Nichtsdestotrotz werde ich mich – wenn ich mit Echauffieren fertig bin – mit einem Häferl Kaffee hinsetzen und die neuen Regeln auswendig lernen. Ich möchte Ihnen hier ja auch in Zukunft zumindest einigermaßen korrektes Deutsch servieren.

Rechtschreibung 2025

Die Begründung, wozu wir neue Rechtschreibregeln benötigen, lasse ich Ihnen von Christiane Pabst, Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs (Traumjob!) und Mitglied des Rechtschreibrats, liefern:

„Der Rechtschreibrat legt nicht willkürlich fest, wie etwas geschrieben wird. Stattdessen beobachtet er sehr genau, wie in deutschsprachigen Regionen Sprache verwendet wird. Er macht zur Regel, was sich bereits im Alltagsgebrauch durchgesetzt hat.“

Wir senken also das Sprachniveau in Richtung Durchschnitt und schon schreibt der Durchschnitt wieder Deutsch auf hohem Niveau. Eine sehr umsichtige Strategie in Hinblick auf den eklatanten Lehrermangel und das Sprachproblem an Österreichs Schulen. Ob der Bildungsminister wohl auch Mitglied des Rechtschreibrats ist?

Von einer der neuen Rechtschreibregeln bin ich jedenfalls nicht nur im Allgemeinen betroffen, sondern auch ganz unmittelbar. Da mein Name sowohl in der Alltagssprache verwendet wird (Wo ist mein Flanellpyjama?) als auch in der Fachsprache (Phlanell ist ein ein- oder beidseitig gerautes Gewebe mit flusiger Oberfläche), bleibt mir nichts anderes übrig, als mich besonders intensiv mit dem korrekten Einsatz von f und ph auseinanderzusetzen.

Moment mal, Phlanell? Ja, richtig gelesen!

Folgende logische F-Ph-Regel kommt ab sofort zur Anwendung:

Ob ein Fremdwort mit f oder ph geschrieben wird, orientiert sich stark daran, was von den meisten Menschen verwendet wird. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das f in der Alltagssprache verwendet wird, in der Fachsprache aber das ph erhalten bleibt. Für viele Begriffe heißt das, dass je nach Kontext beides möglich ist. In einer WhatsApp-Nachricht an die Nachbarin liegt man mit „Fotovoltaik“ richtig, in einem Fachartikel wird man weiterhin „Photovoltaik“ finden. Das gilt für alle Wörter mit den Vorsilben Foto-, fono- und den Nachsilben -fon und -fonie. (Allerdings ist fotogen ausschließlich mit f korrekt.)

In einigen Fällen ist auch in der Alltagssprache das ph ebenso weit verbreitet wie das f; dann bleiben beide Varianten erlaubt, etwa bei Fantasie, fantastisch, Delfin und Grafik. Teils überwiegt das ph sogar in der Alltagssprache noch; hier bleibt es weiterhin die Norm. So wird man etwa Phase, pharmazeutisch, Philharmonie, Philosophie, Physik, Alphabet und phlegmatisch weiterhin mit ph finden.

Alles klar?

Phlipper, der Delphin, studiert die neuen Rechtschreibregeln im Wörterbuch
Phlipper studiert die neuen Rechtschreibregeln

Herrn Flanell hat der Rechtschreibrat mit dieser Regel leider vollends verwirrt. „Vogel-Vau, Franz-Vau, Philipp-Vau“, hörte ich ihn verzweifelt im Schlaf murmeln.

Für den Deppen-Apostroph hat man sich ebenfalls eine neue Regel einfallen lassen:

Wenn Menschen vor dem Genitiv-s bei Eigennamen einen Apostroph setzen, wurde das pointiert auch gern „Deppen-Apostroph“ genannt. Im Deutschen setzt man nämlich vor dem Genitiv-s grundsätzlich keinen Apostroph: Leylas Wohnung ist hübsch, Davids Hund ist gefleckt, Mariams Heft ist verlorengegangen. Besonders häufig wurde dieser Genitiv-Apostroph in Namen von Lokalen oder Firmen gesetzt – bisher fälschlicherweise. Weil das aber inzwischen so weit verbreitet ist, ist dieser Apostroph in Zukunft erlaubt, wenn die Gesamtkonstruktion ein Eigenname ist: Florian’s Kellerheuriger, Maria’s Hundestudio, Gusti’s Würstelstand dürfen also in Zukunft mit Apostroph geschrieben werden.

Achtung: Wenn die Gesamtkonstruktion aber kein Eigenname ist, sondern wir tatsächlich von Gustis Würsteln, Marias Hund oder Florians Heurigen sprechen, ist der Apostroph weiterhin nicht korrekt.

Glückwunsch zu diesem klugen Schachzug! Ab sofort gibt es weniger Deppen, dafür mehr Apostrophe. Könnten wir das nicht auch im Straßenverkehr so handhaben, dann gäbe es weniger Verkehrssünder?

Wenn ich nun also beschließen würde, ein Geschäft für Nachtbekleidung zu eröffnen, so hieße es:

Coco Flanell´s Flanellpyjamas

Würde ich meinen Business-Case dann als Übungsbeispiel für Wirtschaftsstudenten zur Verfügung stellen, die sich nicht nur an meiner abenteuerlichen Bilanz die Zähne ausbeißen dürfen, sondern auch an der neuartigen Baumwoll-Polyester-Mischung meiner Ware, wäre hingegen diese Schreibweise anzuwenden:

Coco Flanells Phlanellpyjamas

Können Sie mir noch folgen?

Apropos Business-Case, auch zur Schreibweise von Anglizismen gibt es neue Regeln:

Getrennt oder zusammen?

Ob man eine Kombination aus einem englischen Substantiv mit einem anderen englischen Wort zusammen oder getrennt schreibt, hängt vom Hauptakzent ab. Liegt der Hauptakzent auf dem ersten Wortbestandteil, schreibt man die Wörter zusammen, etwa Swimmingpool, Chatgroup oder Touchpad. (Schließlich sagt man ja Swimmingpool und nicht Swimmingpool.) Gibt es mehrere Hauptakzente, schreibt man die Wörter getrennt, etwa bei Corporate Identity, Electronic Banking, High Society, Human Resources oder Social Media. (Schließlich betont man bei Social Media sowohl eine Silbe im ersten, als auch im zweiten Wort.) Bei einigen Wörtern gibt es verschiedene Aussprachevarianten. Diese kann man entsprechend entweder zusammen oder getrennt schreiben. Das betrifft zum Beispiel Wörter wie Happy End (bzw. Happyend) oder Smart Home (bzw. Smarthome).

Bindestrich oder kein Bindestrich?

Teils empfiehlt sich die Schreibung mit Bindestrich, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen. So ist Midlifecrisis zwar erlaubt, aber Midlife-Crisis deutlich leichter lesbar.

Schreibt man die Kombination aus einem Substantiv und einem Adverb zusammen, ergeben sich teils schwer lesbare Wörter. Daher verbindet man diese in der Regel mit einem Bindestrich; das Adverb wird dabei kleingeschrieben, z.B. Check-in, Make-up, Stand-by oder Back-up. Wenn die Lesbarkeit nicht beeinträchtigt ist, kann das Wort auch regulär zusammengeschrieben werden. Möglich ist das zum Beispiel bei Standby oder Backup.

Ausnahme: Es gibt einige Wörter, die bereits zusammengeschrieben lexikalisiert sind, etwa Layout, Countdown oder Handout. Diese werden auch weiterhin zusammengeschrieben.

Klein oder groß?

Fremdsprachige adverbiale Fügungen schreibt man grundsätzlich klein. Das gilt sowohl für Anglizismen (last minute, just in time) als auch für andere Fremdsprachen (de facto, coram publico, a cappella). Sind diese Fügungen aber Teil einer substantivischen Zusammensetzung, koppelt man sie mit Bindestrichen an das Substantiv. Dabei wird der Wortanfang wie auch das Substantiv immer großgeschrieben, der Rest der adverbialen Fügung kann sowohl klein- als auch großgeschrieben werden. Beispiele hierfür sind Last-minute-Angebot (oder Last-Minute-Angebot) sowie A-cappella-Chor (oder A-Cappella-Chor).

Englische Verbindungen aus gleichrangigen, nebengeordneten Infinitiven schreibt man getrennt; die Infinitive werden dabei großgeschrieben, etwa: Copy and Paste, Park and Ride, Stop and Go.

Fast geschafft, aber es wird noch einmal etwas komplizierter: Will man die Verbindung aber als Gesamtbegriff interpretiert wissen, kann man sie auch mit Bindestrich durchkoppeln. Hier darf der zweite Infinitiv sowohl groß als auch klein geschrieben werden. Möglich ist dann also auch Park-and-Ride und Park-and-ride.

So far, so good?

Geschäftemacherei auf dem Rücken der Schüler und Wortarbeiter

Ich habe ja einen ganz anderen Verdacht, wozu die neuen Rechtschreibregeln eingeführt wurden. Von wegen Alltagsgebrauch. Eine hundsordinäre Verkaufsförderungsaktion der Wörterbuch-Mafia ist das!

Frau Pabst sagt es ja selbst mehrmals durch die Blume:

Die jeweils erlaubten Schreibweisen finden sich in der neuen Auflage des Österreichischen Wörterbuchs.

Oder hier:

Keine Sorge! Diese komplexen Regeln muss man sich keinesfalls alle auswendig merken. Das aktualisierte Österreichische Wörterbuch enthält alle wichtigen Änderungen. Dort können Menschen jederzeit nachschlagen, welche Schreibungen richtig sind.

Irgendetwas muss man sich eben einfallen lassen, wer kauft denn sonst alle paar Jahre ein neues Wörterbuch?

Fiel Spass mit die neuen Rechtschreibregels wünscht
Ihre Coco Phlanell

Fernsehserie „Flipper“ | 1964

Quelle: Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, https://www.oebv.at/magazin/rechtschreibung-2025-was-aendert-sich, 04.09.2025, 11:00 Uhr