Billig-Touristen

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Dem Bankberater zum Beispiel, was mit dem Kontostand passiert ist. Ein paar Tage Urlaub in Europa können doch nicht SO ein Loch ins Budget reißen. Oder etwa doch?

Kroatien

Ein Rundgang auf der Stadtmauer von Dubrovnik kostet 35 Euro. Pro Person. Außer einem Sonnenstich ist da nichts inkludiert. Keine Führung, kein Champagner, keine Senfte.

Wir beschließen, uns den Sonnenstich lieber im Gastgarten zu holen. Davon gibt es hier ja reichlich, ganz Dubrovnik besteht quasi aus Gastgärten. Und Souvenirgeschäften. Das hätten wir mal lieber bleiben lassen! Zwei Hauptspeisen, zwei Getränke, zwei Kaffee: um den Rechnungsbetrag hätten wir ein großes Stück Stadtmauer kaufen können!

Von diesem Preisschock müssen wir uns erstmal erholen. Aus Altersgründen benötigen wir dafür sicher den restlichen Tag. Eine ruhiges Plätzchen mit ansprechendem Ambiente muss also her. Der perfekte Ort ist schnell gefunden. Ein Beachclub, der ein absoluter Geheimtipp sein muss: kaum Gäste. Wunderbar!

Erstmal ein Kaffee auf der Terrasse, dann möchten wir uns eines dieser schicken Daybeds mieten, ganz vorne am Meer, erste Reihe fußfrei.

Bei der Preisliste zieht es uns die nicht vorhandenen Socken aus. Daybed ist nicht unsere Liga, so viel steht fest. Wir gehen alle Kategorien durch und müssen feststellen: Auch „Plastikliege ohne Sonnenschirm neben Toilette“ ist nicht unsere Preisklasse.

Der Geheimtipp, den uns die zahlreichen nicht anwesenden Gäste voraus hatten, war offensichtlich „Finger weg!“.

Herr Flanell und ich sind sehr pragmatisch, müssen Sie wissen. So schnell geben wir nicht auf. Wir stellen fest, dass wir das Geld, das wir fürs Liegen ausgeben müssten, auch fürs Trinken ausgeben könnten. Gesagt, getan.

Zwei Bier später schreien unsere alten Leiber nach einer Siesta. Herr Flanell hat Glück, der Rasen im schattigen Teil des Beachclubs wurde frisch gemäht und das Gras feinsäuberlich zu einem Komposthaufen Boxspringbett drapiert. Er breitet sein Strandtuch darauf aus und versinkt – wie auf einer Wolke – in tiefen Schlaf.

Ich selbst habe weniger Glück, finde aber ebenfalls ein leistbares Plätzchen. Ich drapiere mein Liegetuch strategisch klug am Boden neben einer schattenspendenden Sonnenliege. Während Ameisen eine Straße über meinen Bauch bilden, beschließe ich: Nie wieder Kroatien!

Irland

Nachdem Sonne und Meer so unverschämt teuer wurden, entscheiden Herr Flanell und ich uns diesmal für Regen und Meer. Wir urlauben in Irland. Hier gibt es keine überteuerten Beachclubs und die Besichtigung alter Steine ist zumeist gratis.

Aus diesem Grund ist unsere Urlaubskasse auch gegen Ende der Reise noch prall gefüllt und wir beschließen, uns zum Abschluss richtig etwas zu gönnen.

Die Flanells lassen es krachen: eine Nacht im Schlosshotel.

Die Wahl fällt auf eine Übernachtung in einem noblen Schlosshotel. Der Preis dafür steht im Reiseführer, wir sind gewarnt, haben aber bereits die Spendierhosen an. Langsam gleitet unser häßlicher, dafür kleiner Mietwagen über die geschotterte Auffahrt.

An der Rezeption werden wir von Kopf bis Fuß gemustert. Dann noch einmal, diesmal von Fuß bis Kopf. Unser Wunsch nach einem Zimmer und einem Abendessen im Hotelrestaurant wird abgetan mit der Bemerkung:

„Sie wissen schon, was das hier kostet?“
Ja, wissen wir!

Ich bin kurz davor, die Urlaubskasse auf den Empfangstisch zu kippen, um zu demonstrieren, dass die Flanells sich dieses Etablissement durchaus leisten können. Wir sind quasi Stammgäste in solchen Schuppen, das sieht man doch.

Die Patek Philippe und der Range Rover mussten diesmal zu Hause bleiben, manchmal reisen wir lieber inkognito. Bloß so, zum Spaß. Und ein bisschen auch, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren.

Alles Betteln hilft nichts, wir werden des Schlosses verwiesen und hinaus geschickt in die finstere Nacht. Wir befinden uns bereits wieder auf der Landstraße, da überkommt es Herrn Flanell. Diese Schmach wird er nicht unkommentiert hinnehmen!

Er wendet den Wagen, wir rollen erneut die Auffahrt zum Schloss hoch. Vor dem Eingang steigt er aus dem Auto und spuckt elegant auf den Boden. Denen hat er´s aber gezeigt! Ein bisschen schäme ich mich für meinen Mann, hauptsächlich bin ich aber stolz auf ihn.

Italien

Ähnlich erging es uns vor Kurzem in Italien. Wir sitzen in einer Trattoria am Ufer des Gardasees und bestellen Nudeln mit Trüffel. Ohne Fettuccine al tartufo ist es kein richtiger Italienurlaub.

Offensichtlich vermitteln wir auch hier den Eindruck, uns im Etablissement vertan zu haben. Der Oberkellner lässt es sich nicht nehmen, uns ausführlich darüber aufzuklären, was Trüffel kostet. Erst auf Deutsch, dann sicherheitshalber noch einmal auf Englisch.

Wir lassen uns von ihm nicht davon abhalten, uns mit einer Vorspeise in den finanziellen Ruin zu stürzen, auch wenn die Nudeln nun einen faden Beigeschmack haben. Und nein, der kommt nicht vom Trüffel.

Am nächsten Tag fahren wir nach Verona und lassen uns schick einkleiden, wir haben nämlich vor, abends in einem Fischlokal zu speisen. Mit etwas Glück schaffen wir es italienisch gewandet am Padrone vorbei.

Schweden

Nachdem es sich auch die Iren und Italiener mit uns verscherzt haben, versuchen wir es dieses Jahr mit den Schweden. Schweden ist ein Wohlfahrtsstaat, hier fühlen wir uns willkommen.

Wir beglückwünschen uns zu der klugen Wahl unseres Reiseziels, darauf müssen wir anstoßen. Wie praktisch, dass wir gerade durch die Altstadt von Stockholm spazieren, wo sich ein entzückender Gastgarten an den nächsten reiht.

Wir bestellen zwei Gläser Wein. Keinen besonderen aus der Weinkarte, einfach den nächstbesten von der Tageskarte. Auf den Preis achten wir nicht, was kann so ein Glas Wein schon kosten? Die Stimmung ist gut, der Wein auch – noch eine Runde, bitte!

Beim Bezahlen falle ich vom Glauben ab. 80 Euro für vier Gläser Wein! Für den Rest des Urlaubs bestellen wir Leitungswasser. Sicher ist sicher!

Europa wird kleiner und kleiner …


Liebe Leserin, lieber Leser,

ich wünsche Ihnen eine schöne Urlaubszeit! Vergessen Sie nicht, beim Blick auf die Rechnung zu lächeln. Immer schön weltmännisch geben ist der Trick. Vielleicht klappt´s dann auch mit der Nacht im Schloss.

Ihre Coco Flanell