Klartext, bitte! Gehaltsspanne in Stelleninseraten
Durch die Angabe einer realistischen (!) Gehaltsspanne in Stelleninseraten könnte man unheimlich viel Zeit auf beiden Seiten des Bewerbungsprozesses sparen. Leider findet sich dort in den meisten Fällen zwar eine lange Liste an gewünschten Fähigkeiten, selten jedoch ein dazu passender (!) Gehaltsrahmen. Man würde sich damit ja die billigsten Bewerber durch die Lappen gehen lassen – wo kämen wir denn da hin?
Stattdessen kommt man der gesetzlichen Verpflichtung nach und gibt das absolute Mindestgehalt an, obwohl man durchaus bereit wäre, ein angemessenes Gehalt zu zahlen. Manche Arbeitgeber meinen das mit dem Mindestgehalt jedoch tatsächlich ernst.
Beliebt ist auch der Verzicht auf eine Gehaltsangabe unter Verweis auf einen Kollektivvertrag. Die Verwendungsgruppe des konkreten Jobs darf der interessierte Jobsuchende dann würfeln. Woher man als Bewerber wissen soll, woran man ist? Who knows?
Beispiel #1: Sie wohnen doch in der Nähe
Man lädt mich, einen Senior mit über 20 Jahren einschlägiger Berufserfahrung, zu einem Vorstellungsgespräch ein. Erstmal werde ich gut eine halbe Stunde lang intensiv über die Inhalte der Unternehmens-Website abgefragt. Danach folgt eine Prüfung im Fach „Geografie der näheren Umgebung“ auf Volksschulniveau. Ich komme mir verarscht vor, spiele aber mit.
Erst als wir zum Thema Gehalt kommen, platzt mir innerlich der Kragen. Nach außen bleibe ich gefasst. Im Stelleninserat war anstelle eines Gehaltsrahmens nur ein Verweis auf einen Kollektivvertrag zu finden.
Die Verwendungsgruppen in diesem Kollektivvertrag sind so allgemein formuliert, dass man als Laie unmöglich herauslesen kann, in welche Gruppe man eingestuft werden müsste.
Viel mehr als 2.300 Euro brutto für 40 Stunden plus fallweise Abend- und Wochenendeinsätze könne man nicht zahlen. Dafür hätte ich es ja nicht weit vom Wohn- zum Arbeitsort. Na, DAS ist natürlich ein Argument, kostet so ein Öffi-Ticket doch immerhin zwischen 365 und 1.180 Euro. Im Jahr! Kaum auszudenken, ich müsste zu meinem Arbeitsplatz pendeln!
Für die Gnade, in der Nähe meines Wohnorts arbeiten zu dürfen, müsste ich eigentlich aus Dankbarkeit auf ein Gehalt verzichten, meinen Sie nicht? Wer wird denn schon für seine Leistung bezahlt?
Ich breche das Gespräch ab, bedanke mich höflich für die Zeit und verlasse den Raum. Zum ersten Mal in meinem Leben beende ich einen Bewerbungsprozess auf diese Weise.
Die Kandidatin, die den Job letztendlich angenommen hat, ist Akademikerin, ca. 40 Jahre alt und hat – ebenso wie ich – langjährige einschlägige Berufserfahrung. Sagt LinkedIn.
Tja, solange sich jemand findet, der sich dermaßen unter Wert verkauft, brauchen wir uns über das teilweise unterirdische Gehaltsniveau nicht wundern.
Beispiel #2: Wir haben es uns anders überlegt
Ausgeschrieben ist eine Stelle mit umfangreichem Aufgabengebiet. Mehrjährige Berufserfahrung, Fachexpertise, der routinierte Umgang mit etlichen Softwareprogrammen und Onlinetools, Projektmanagementfähigkeiten, perfekte Deutsch- und sehr gute Englischkenntnisse werden vorausgesetzt. Die Gehaltsangabe ist kryptisch.
Ich bewerbe mich und habe Erfolg. Noch in derselben Woche führe ich ein sehr angenehmes Vorstellungsgespräch. Zum Abschluss besprechen wir meine Gehaltsvorstellung. Mein Gehaltswunsch ist durchaus gerechtfertigt und entspricht meiner langjährigen Erfahrung, meint die HR-Mitarbeiterin. Ich fahre zuversichtlich nach Hause.
Ein paar Tage später erhalte ich einen Anruf. Eine Absage. Ich sei überqualifiziert, habe zu viel Erfahrung und mein Gehaltswunsch entspräche zwar meinem Marktwert, passe aber nicht ins Budget. Man habe nun beschlossen, doch nach einem Junior zu suchen.
Haben Sie sich meinen Lebenslauf eigentlich angesehen, bevor Sie mich eingeladen haben?
Ein kleiner Tipp:
Bitte überlegen Sie sich vorab, wen Sie suchen, es ist sonst schade um die Zeit – auch um Ihre.
Während die einen bloß nicht wissen, WEN sie für den Job suchen, wissen die anderen nicht einmal, WAS der Job überhaupt ist. Seien Sie gespannt und schauen Sie nächsten Sonntag wieder vorbei!
Weitere Beiträge dieser Serie
Vorschaubild: Disney