In den letzten Jahren bin ich gleich auf zwei Kandidaten der Kategorie „Die Geheimnisvollen“ hintereinander hereingefallen. Die eingangs erwähnten einzigen Unternehmen in meiner Karriere, bei denen ich jeweils nur einige Monate gearbeitet habe. Mit ein Grund, warum ich hier so ausführlich über das Leben als Bewerberin berichten kann – geplant war das so nämlich nicht!
Ich bin in meinem Berufsleben schon so viele der beliebten Extra-Meilen gegangen, die reichen locker für zwei. Als Dank dafür wurde ich mit Geld überschüttet, wurde direkt zur Geschäftsführerin befördert und eine zusätzliche Urlaubswoche gab´s obendrauf. Das glauben Sie mir nicht? Na gut, dann bleiben wir eben bei der traurigen Wahrheit.
Von einer 40-Stunden-Woche konnte ich die meiste Zeit nur träumen. Wie viele Überstunden ich fleißiges Bienchen Trottel schon geleistet habe, möchte ich lieber nicht nachrechnen. Daher ist das eine meiner Bedingungen für zukünftige Jobs:
Überstunden? Ja, selbstverständlich, wenn sie fallweise notwendig sind und ausgeglichen werden. Als Dauerzustand zwecks Personaleinsparung: ganz sicher nicht mehr!
Das kommuniziere ich auch offen in Vorstellungsgesprächen. So auch in diesem. Die Geschäftsführung äußert volles Verständnis, die zukünftige Kollegin beteuert, dass Überstunden ohnehin eine Ausnahme sind. Ich bekomme den Job, wir werden ein Team von drei Personen sein, ich freue mich darauf.
Wenige Wochen nach meinem Start verabschiedet sich besagte Kollegin in den frühzeitigen Mutterschutz, die zweite Kollegin in Richtung Studium. Karenzvertretung? Ersatz für die Neo-Studentin? Fehlanzeige! Das Team bin also nur noch ich. Ich würde das schon schaffen, heißt es.
Ich schaffe es tatsächlich. Ganz easy! Ich arbeite einfach nach dem Vollzeitjob regelmäßig auch abends oder am Wochenende. Wieder einmal. Wer will schon ein Privatleben?
Als ich die karenzierte Kollegin später einmal auf die unzähligen Überstunden anspreche, erzählt sie, dass sich die Arbeit bei ihr auch hinten und vorne nicht in der Normalarbeitszeit ausgegangen ist. Auch sie musste Abende und Wochenenden opfern. Dabei hatte sie sogar noch Unterstützung. Tja, danke für die Ehrlichkeit im Vorstellungsgespräch – wie war das noch mit den kaum anfallenden Überstunden?
Nicht nur bei der Workload hat man sich ein bisschen … ähm … verschätzt. Überraschung! Auch ein gar nicht so geringer Teil meiner Aufgaben fand weder Erwähnung in der Stellenausschreibung noch im Vorstellungsgespräch. Als „Mädchen für alles“ hätte ich mich nämlich definitiv nicht beworben.
Ich finde mich in einer für mich neuen Situation wieder: gleichzeitige Über- und Unterforderung. Während die Workload zu hoch ist, bin ich geistig ziemlich unterfordert. Meine Expertise liegt brach, obwohl sie hier durchaus von Nöten wäre.
Für strategische Arbeit finde ich aber keine Zeit, da man mich lieber bei voller Bezahlung mit Hilfstätigkeiten überhäuft. Das ist von der Unternehmensführung so gewollt, Mitarbeiter sollen sich möglichst nicht einbringen. Zumindest nicht die weiblichen. Mit Sicherheit ein gut durchdachtes Konzept, ich verstehe es nur leider nicht.
Wie ist das eigentlich mit arglistiger Täuschung, wenn sie nicht vom Arbeitnehmer ausgeht, sondern vom Arbeitgeber?
Das könnte ich übrigens auch den zweiten Kandidaten der „Geheimnisvollen“ fragen. Mehr dazu nächsten Sonntag.