Die Geheimnisvollen – Der Tragödie zweiter Teil

Nach dem Fehlgriff mit Kandidat eins der „Geheimnisvollen“ suche ich mir einen neuen Job. Ich werde eingestellt, um ein Projekt, das schon weit fortgeschritten ist, abzuschließen und die Ergebnisse im Unternehmen umzusetzen.

Erstmal quäle ich mich durch unzählige Dokumente und arbeite mich selbst ein. Unterstützung gibt es keine. Meine Vorgänger haben alle noch während der Projektphase den Betrieb verlassen und meine Führungskraft sitzt Tag für Tag von früh bis spät in Besprechungen. Kein Problem, als erfahrene Fachkraft bekomme ich das schon hin.

Ich plane die weiteren Phasen und Schritte und möchte endlich mit der „richtigen“ Arbeit loslegen. Nur: die interessiert niemanden!

Die Geschäftsführung steht nicht mehr hinter dem Projekt, was jedoch essenziell wäre. Ohne deren Rückhalt und Mitwirken keine Umsetzung. Das hier wäre also auf Dauer kein Job, sondern eine Beschäftigungstherapie. Was ein offenes Geheimnis ist, nur mir hat man es vergessen zu sagen.

Wenn ich schon einmal da bin, könne ich doch aber stattdessen … Sie ahnen es! … einen völlig anderen Job ausüben. Da liegt nämlich eine Baustelle brach, die seit Jahren niemand angehen möchte und die schön langsam wirklich zu einem Problem wird. Außerdem braucht eine Kollegin in einer anderen Abteilung dringend Unterstützung und ich habe – das steht in meinem Lebenslauf – doch viel Erfahrung in dem Bereich …

Dass ich mich für die nun in Aussicht gestellten Aufgaben niemals beworben hätte und sogar ein anderes Jobangebot zugunsten dieses Unternehmens abgelehnt habe? Aber geh, wen interessiert das schon?

Ein Plädoyer für Ehrlichkeit

Ich hätte da einen Vorschlag:

Wie wäre es mit Stelleninseraten, in denen die tatsächlichen Aufgaben angeführt werden? Nicht das übliche Wunschkonzert, einmal quer durchs Gemüsebeet, aber letztendlich fernab des Arbeitsalltags. Spätestens im persönlichen Gespräch könnte man doch ehrlich darauf eingehen – der Bewerber fragt ohnehin danach.

Und wenn sich dann zufällig ein Kandidat findet, der Fähigkeiten mitbringt, die man abseits des gegenständlichen Jobs nutzen möchte, wäre es nicht eine Überlegung wert, das dem Kandidaten vor der Vertragsunterzeichnung mitzuteilen? Vielleicht hat er daran gar kein Interesse?

Was bleibt ansonsten übrig von den enttäuschten Erwartungen und nicht gehaltenen Versprechungen? Auf der einen Seite Kurzzeitaufenthalte mit Rechtfertigungsbedarf im Lebenslauf. Auf der anderen Seite Stellen, die zum zweiten (dritten, vierten) Mal in kurzer Zeit nachbesetzt werden müssen.

Stellen wir uns die Situation doch einmal umgekehrt vor:

Ein Unternehmen sucht einen Projektmanager. Ich mime im Bewerbungsprozess den perfekten Projektmanager, habe jedoch insgeheim gar nicht so viel Bock auf diese Stelle. Aber das Unternehmen ist interessant, ich möchte unbedingt dort arbeiten. Bingo, ich bekomme den Job!

Nach einigen Wochen habe ich endgültig keine Lust mehr auf Projektmanagement. Aber was die Kollegen aus dem Controlling so erzählen, klingt interessant. Ich mache jetzt einfach bei denen mit, mir doch egal, was mein Arbeitgeber davon hält.

Im Bewerbungsprozess wurde mir bereits mitgeteilt, dass regelmäßig Überstunden anfallen werden. Ich gab vor, dass das vollkommen okay für mich sei, um den Job zu bekommen. Sobald die Probezeit vorbei ist, lasse ich jedoch pünktlich nach acht Stunden den Stift fallen, ohne Rücksicht auf den Job, die Kollegen und Termine zu nehmen, und mache mich auf den Heimweg. Jeden Tag. Pech gehabt, lieber Chef.

Na, wie klingt das für Sie? Würden Sie so einen Mitarbeiter behalten? Wohl kaum. Sehen Sie, mir geht es umgekehrt genauso. Ich möchte so einen Arbeitgeber auch nicht behalten.

Sehen Sie sich nun bitte einen x-beliebigen Bewerbungsratgeber an:

  • Ratschlag #1: Niemals etwas Schlechtes über einen Ex-Arbeitgeber sagen.
  • Ratschlag #2: Seien Sie ehrlich im Bewerbungsprozess.

Tja, liebe Bewerber, auf geht´s zum fröhlichen Eiertanz!

Überlegen Sie sich schon einmal elegante Begründungen für Ihre ungeplanten Jobwechsel, Sie werden sie in den nächsten Vorstellungsgesprächen erklären müssen. Wenn es überhaupt zum Vorstellungsgespräch kommt und Sie als vermeintlicher Jobhopper nicht gleich aussortiert werden.

Bei Unternehmen, die ihre (zahlreichen) Bewerber in wenigen Sekunden nach Schema F selektieren (müssen), sind Sie jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit raus, noch bevor jemand ein Gespräch mit Ihnen geführt hat. So schnell können Qualifikation, Motivation und jahrelange gute Arbeit ihren Wert verlieren …

Selbstverständlich verstehe ich auch das Dilemma der Recruiter. Handelt es sich bei dem wankelmütigen Bewerber um einen Menschen, der beim kleinsten Problem das Handtuch wirft, mit den Aufgaben nicht zurechtkommt, sich nicht in ein Team integrieren kann oder was auch immer der Grund für die letzten Jobwechsel war? Oder ist das ein Mensch, der einfach verarscht wurde Pech hatte und durchaus ein loyaler und wertvoller Mitarbeiter werden könnte?

Mein Vorschlag: Weniger Eiertanz, mehr Ehrlichkeit. Von Anfang an. Auf beiden Seiten!

Dass es aber auch ganz anders geht und man mit Ehrlichkeit Fehlentscheidungen auf beiden Seiten des Arbeitsverhältnisses verhindern kann, berichte ich in der nächsten Episode. Zu Ostern ruht die Jobsuche, da feiere ich Auferstehung. Meine nämlich.