Die Ehrlichen

Eigentlich sollen bei meinem Vorstellungsgespräch neben der HR-Leiterin beide Geschäftsführer dabei sein. Personal fällt in den Zuständigkeitsbereich des einen, ich würde jedoch direkt an den anderen berichten. Der ist leider kurzfristig verhindert, das Gespräch findet trotzdem statt.

Es läuft gut, wir sind voneinander überzeugt. Sobald der andere Geschäftsführer – mein potenzieller Chef – wieder verfügbar ist, werde ich ein Gespräch mit ihm führen.

Da man aus (Berufs)erfahrung klüger wird und ich ohnehin ein Fan von Offenheit im Bewerbungsprozess bin, habe ich auch die Frage, womit man mich auf Dauer demotivieren würde, sehr klar beantwortet: mit Mikromanagement.

Mit Vorgesetzten dieses Schlages habe ich so meine liebe Not. Was mich in jungen Jahren noch kaum gestört hat, hat sich mit zunehmender Erfahrung zu einem No-Go entwickelt. Einmal bot ich einer mikromanagenden Teamleiterin einen Jobtausch an, da sie offensichtlich sehr an meinen Aufgaben hing und ich die doppelte Bearbeitung der gleichen Themen wenig (kosten)effizient fand. Die Dame war „not amused“ über meinen lösungsorientierten Vorschlag. Zum Glück hatte ich zumeist Vorgesetzte, die selbständig arbeitende und denkende Mitarbeiter durchaus zu schätzen wussten und ihre und meine Zeit sinnvoll genutzt haben.

Ein paar Tage später erhalte ich einen Anruf der HR-Leiterin. Sie würde jetzt gerne den zweiten Termin mit mir vereinbaren. Aber … ich soll bitte kurz dranbleiben … im Hintergrund höre ich eine Tür ins Schloss fallen:

„Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Nehmen Sie den Job nicht an. Ihr zukünftiger Chef ist ein Mikromanager wie aus dem Lehrbuch. Mit erfahrenen Mitarbeitern tut er sich schwer.“

Danke für die Offenheit! Ich nehme den Rat ernst und suche weiter. Da hatten wir beide noch einmal Glück, der Geschäftsführer und ich. Wir wären wohl nicht glücklich geworden miteinander.

So stelle ich mir einen perfekten Bewerbungsprozess vor. Der muss nämlich gar nicht mit einer Zusage beider Seiten enden, sondern mit Entscheidungen, die für alle Beteiligten langfristig tragbar sind. Für gute Entscheidungen braucht es gute Informationen. Ehrliche nämlich.

Dass Sie mich auf meiner Irrfahrt über den Stellenmarkt schon so lange begleiten, hat Belohnung verdient! Wie versprochen: Das Beste kommt zum Schluss. Da mich zwei Unternehmen gleichermaßen mit ihren Bewerbungsprozessen beeindruckt haben, gibt es einen doppelten Schluss. [Notiz an mich selbst: neuen literarischen Kniff patentieren lassen!] Den Anfang vom Ende machen nächsten Sonntag die Chaoten.