Für ungeduldige Leser hier die Zusammenfassung: Ich bin schwierig.
Also nicht grundsätzlich und auch nicht aus Prinzip, aber in den Augen mancher Mitmenschen durchaus. Vor allem im beruflichen Kontext. Deshalb bin ich jetzt nicht mehr die eierlegende Wollmilchsau, die ich früher einmal war. Schade. Und schuld daran ist ein einziges kleines Wort, das noch recht neu ist in meinem Wortschatz: Nein.
Ich bin 45 Jahre alt. Damit habe ich neben viel Berufserfahrung auch viel Lebenserfahrung und neben viel Berufsleistung auch viel Lebensleistung vorzuweisen. Klingt ja eigentlich gar nicht schlecht. Aber die Sache hat natürlich einen Haken: Die Erfahrung brachte ihre unsympathischen Kollegen Haltung und Meinung mit zur Party und jetzt haben wir den Salat!
Das war so nicht vereinbart. In meinem Dienstvertrag steht „Sie wünschen, wir spielen!“. Wir, also ich, Coco Flanell. Und gleich danach „Geht nicht gibt´s nicht!“. Von „Warum?“, „aber …“ und vor allem „Nein!“ steht da nichts.
Und jetzt kommt Madame Flanell plötzlich daher und lehnt abenteuerliche Deadlines ab, anstatt sich wagemutig ins Abenteuer zu stürzen? Fühlt sich nicht mehr dazu verpflichtet, neben ihrem eigenen Vollzeitjob auch noch in Dauerschleife Kollegen zu vertreten, weil sie „ja eh keine Betreuungspflichten“ und somit das Recht auf geregelte Arbeitszeiten verwirkt hat? Zum Nulltarif versteht sich, es lebe der All-in-Vertrag. Sagt Projekte ab, nur weil sie keine Zeit dafür hat? Was bildet die sich plötzlich ein? Früher war sie doch auch nicht so schwierig!
Es ist natürlich nicht so, dass ich früher nicht auch schon nein gesagt und Grenzen gesetzt hätte. Ich war nur furchtbar schlecht darin, sie zu verteidigen. Meistens gab es irgendwo ein ungesichertes Schlupfloch und zack, da standen sie wieder vor meinem Schreibtisch, die Probleme und Aufgaben, für die ich weder Zeit hatte noch zuständig war.
Dieses inkonsequente „So kann es nicht weitergehen!“ und dann dafür zu sorgen, dass es so weitergeht, habe ich mir nun abgewöhnt. Wer soll das ernst nehmen? In Zukunft mache ich mich mit einer anderen Nummer lächerlich, mir fällt da bestimmt etwas ein. Sie lesen es dann hier, versprochen.
Für mich jedenfalls ist Neinsagen inzwischen eine meiner Lieblingssuperkräfte. Sie spart Zeit und sie spart Nerven. Zumindest meine.

Sie überlegen, es mir gleichzutun? Schieben Sie die Schuld aber bloß nicht auf mich! Für eine Frau ist Neinsagen-Können nämlich keine gute Eigenschaft, müssen Sie wissen. Es handelt sich dabei um eine Fehlfunktion und gehört nicht zu unserer Grundausstattung. Noch schlimmer: Sollten Sie diese Superkraft erst nach einigen Jahren im Job zur Schau stellen, könnte man Ihnen das als verdeckten Mangel ankreiden. Ich habe Sie gewarnt!
Wäre ich ein Mann, wäre alles in Ordnung. Ich gälte als selbstbewusst, zielstrebig und konsequent – kurzum, ich wäre ein Macher. Jetzt verhält es sich aber nun einmal so, dass ich eine Frau bin. Also bin ich kein Macher. Sondern egoistisch, unbequem und zickig – kurzum schwierig.
Ob mich mein neues Image stört? NEIN!
Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich? Weil ich wünschte, mir hätte jemand bereits beim Einstieg ins Berufsleben gesagt, dass Neinsagen durchaus eine Option ist und nicht gleichzusetzen mit fehlender Arbeitsmoral und Unkollegialität. Es wäre auch hilfreich gewesen, unter erfahrenen Kolleginnen gute Vorbilder zu finden. Stattdessen: „Geht nicht gibt´s nicht!“ soweit das Auge reichte.
Hätte auch nur eine von uns ihren Job verloren, wenn sie Grenzen gesetzt hätte? Wohl kaum. An der Angst vor einem Jobverlust kann es also nicht gelegen haben.
Ging es dabei mehr um Konfliktvermeidung und Harmoniebedürfnis? Um übersteigertes Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl gegenüber Kollegen? Wenn Sie mich fragen, kommen wir der Sache damit schon deutlich näher. Und das nicht ohne Grund. Leider. Vermutlich haben Sie auch schon erlebt, wie schnell Frauen als kompliziert abgestempelt werden, wenn sie dieses Spiel nicht mitspielen. Sehr gerne auch von anderen Frauen. Irgendwo müssen wir dieses dumme Dogma wohl eingetrichtert bekommen haben …
Schon ein bisschen schräg das Ganze, meinen Sie nicht? Anerkennung für Fleiß statt Erfolge. Lob statt Geld für geleistete Arbeit. Und wir Deppinnen sagen auch noch brav Danke!
Was für ein Glück, dass die meisten von uns mit zunehmendem Alter ganz automatisch in die Pfeif-Drauf-Phase übergehen. Für alle, die nicht so lange warten und gleich loslegen wollen mit dem Neinsagen: Nur zu, es zahlt sich aus!
Achtung, Ausnahme! Die Frage nach Betreuungspflichten beantworten Sie auf keinen Fall mit nein! Sie haben drei Kinder, eine pflegebedürftige Großmutter und einen dementen Wellensittich. Mindestens. Es sei denn, Sie hatten ohnehin vor, einen Zweitwohnsitz an Ihrem Arbeitsplatz anzumelden.
Vielleicht treffen wir uns ja einmal auf einen Kaffee? Nur wir schwierigen Frauen, so ganz unter uns. Das wäre bestimmt … kompliziert!